Diese Rede, deren Inhalt wir für richtig halten, haben wir dann doch lieber nicht gehalten, weil wir befürchtet haben, dass das Bündnis gegen den Nazi-Aufmarsch sie vielleicht nicht hören wollte. Im Nachhinein meinen wir, dass wir sie besser doch gehalten hätten:
 
Stoppt die Nazis!
Die meisten Lesben und Schwule haben die Geschichte der Nazi-Zeit nicht vergessen. Daran ändert sich nichts dadurch, dass es auch Schwule und Lesben gibt, die sich unter Nazis offenbar wohl fühlen. Überall wo es Menschen gibt, gibt es auch Lesben und Schwule, und die sind nicht klüger oder dümmer als die übrige Bevölkerung.

Dass Lesben und Schwule gerade auch durch Religionen das Leben schwer gemacht bekommen oder ihr Leben verlieren, braucht auch nicht besonders betont zu werden, das dürfte hoffentlich bekannt sein. Es gibt auch religiöse Lesben und Schwule, was möglich ist, weil die beiden Amtskirchen in Deutschland sich gegenwärtig mehr oder weniger zahm uns gegenüber verhalten.
 
Wenn Nazis gegen die Einrichtung eines religiösen Zentrums demonstrieren, kommen wir ind das Dilemma, nicht für das Zentrum demonstrieren zu wollen, wenn wir gegen Nazis demonstrieren.
 
Doch ist von den unterschiedlichen Regionen auf der Welt noch Einiges gegen uns zu befürchten.
 
- Wir lesen und hören in den Nachrichten, dass der Papst sich erneut gegen die sogenannte Homo-Ehe ausspricht und christliche Politiker auffordert, gegen die Legalisierung homosexueller Partnerschaften tätig zu sein.
 
- Wir erfahren von der Kündigung Homosexueller in kirchlichen Einrichtungen, die oft die einzigen sozialen Einrichtungen sind und zu 90% von Steuergeldern finanziert werden.

- Wir lesen und hören von den Steinigungen, Verfolgungen und Hinrichtungen homosexueller Menschen in islamischen Ländern, von deren ständigen Diskriminierungen und Entwürdigungen ganz zu schweigen.
 
- Wir lesen und hören von den Verfolgungen homosexueller Menschen im Budhistischen Nepal und im hinduistischen Indien.
 
- Wir erfahren von den pogromartigen Zuständen in Moskau, angeführt von der russisch-orthodoxen Kirche unter Beteiligung moslemischer Gruppen und russischen Nazis, dort vereint gegen eine kleine mutige Demonstration homosexueller Menschen.
 
- Wir efahren von eifernden Rabbis in Jerusalem, unterstützt von dortigen Muslimen gegen die CSD-Parade in Jerusalem, die dann von den Ordnungskräften in ein Fußballstadium abgedrängt wurde, was nicht an "Gay-Pride", den Stolz der Homosexuellen erinnert, sochdern eher an Chile. Gegen Homosexuelle waren sich Vertreter jüdischer und muslimischer Organisationen plötzlich einig.

Das Menschenrecht auf ein homosexuelles Leben hat der Brasilianische Präsident Lula das Silva eingefordert, und bekämpft wurde sein Antrag von den islamischen Staaten, dem Vatikan und den USA unter Bush.

- Wir wissen von den Übergriffen muslimischer Jugendlicher auf Einrichtungen lesbischer und schwuler Menschen in Berlin , Hamburg und Köln. In Deutschland tauchen nun neuerdings doch recht viele fundamentalistische evangelikale Christen auf, die homosexuelle Menschen „heilen" wollen und unsere Leute so oft jahrelang in ihrem schwierigen Prozess des Selbstakzeptierens, des Coming-outs, zurückwerfen.

Man kann daher verstehen, dass in der lesbisch-schwulen Szene keine Sympatie für das Errichten eines Gebetshauses von Mili Görüs existiert und dort bezüglich der angekündigten Nazi-Demonstration eher die Haltung überwog: „Lass doch die Nazis und die Muslime sich gegenseitig die Köpfe einhauen. Wir mögen sie beide nicht".

So hatten wir es schwer, in unserer Szene für diese Gegendemonstration zu werben. Und wir glauben, dass ein solches muslimisches Gebentshaus nicht nur bei uns, sondern in der Gesamtbevölkerung mit eher gemischten Gefühlen gesehen wird. Mili Görüs ist eine höchst umstritte Organisation und in den Medien wird kaum eine sorgfältige Trennschärfe zwischen dem berechtigten Ausüben der jeweils eigenen Religion und dem politischen Funktionalisieren der Religionen gegen die Menschenrechte gemacht.

Doch können wir nicht hinnehmen, wenn ausgerechnet Nazis die Ängste und Befürchtungen der Bevölkerung für ihre Sichtweise der Dinge ausnutzen.

Und wenn sich die NPD und andere Nazis heute versammeln, um dieses geplante Gebetshaus auf dem Gräselberg zum Anlass zu nehmen, für ihre menschenverachtende Gesinnung Zustimmung zu erhalten, dann können wir dies nur mit großer Abscheu sehen. Dies sagen wir gerade deshalb, weil wir als Humanisten und der Aufklärung verpflichtete Lesben und Schwule die religiöse Demagogie, auch gerade die der Muslime, als eine Gefahr für uns ansehen.

Aber gerade die Nazis haben durch ihre verbrecherische Ideologie und ihre verbrecherischen Handlungen (wie die Geschichte und die Gegenwart deutlich belegen) alle Rechte verwirkt, sich zugunsten der Einhaltung der Menschenrechte zu äußern.

Die Einhaltung der Menshcenrechte wollen sie ja auch gar nicht, denn von ihnen geht ja die zynichste Menschenverachtung, die brutalste Bekämpfung aller Menschenrechte aus, schon in ihren kleinen Aktionen und erst recht dort, wo sie Gelegenheit hatten und haben, ihre verbrecherischen Interessen zu verwirklichen. Die Nazi-Ideologie ist keine Meinung, sondern sie ist ein Verbrechen.

Wenn wir hier zusammen mit Gewerkschaftlern, VertreterInnen demokratisch gesonnenen Verbänden und Parteien, Christen und Muslimen gegen diesen Naziaufmarsch demonstrieren, dann nicht aus demonstrierter Sympatie gegenüber einem neuen Religionsverkündungsort. Wir demonstrieren aus 2 Gründen:
 
1. Weil wir als GegnerInnen von Nazis dazu beitragen wollen, dass sie ihre verbrecherische Volksverhetzung nicht offen verkünden können.
 
2. Weil die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer Religion jedes Menschen ureigene Sache ist, wie auch das gemeinsame Ausüben dieser Religion an einem gemeinsamen Ort für die jeweils Betroffenen,
und weil kein Mensch das Recht hat, sich in diese individuelle Entscheidung jedes einzelnen Menschen einzumischen oder gar Druck gegen diese individuelle Entscheidung auszuüben. Es darf keinen wie auch immer gearteten Druck geben, weder von Nazis noch von Religionsvertretern.

Und so hoffen wir, dass die Gegner eines solchen Nazi-Aufmarsches von der Bevölkerung eine konsequente und große Unterstützung und Zustimmung erhalten werden.
 
Vielleicht ist ja der Unmut über diese Anmaßung der Nazis, sich hier zu Religionsfragen zu äußern, in der Bevölkerung so groß, dass deren Aktion gar nicht nicht stattfinden kann.
 
ROSA LÜSTE
Postfach 5406, 65044 Wiesbaden
Tel./Fax: 0611/377765
http://www.rosalueste.de
E-Mail: gruppe@rosalueste.de
 
Leider wurde das Verbot der Nazi-Demonstration in der nächsten Instanz wieder aufgehoben, war die Anzahl der Beteiligten an der offiziellen Demonstration eher kärglich, während andere DemonstrantInnen sich nicht an dem Ort einfanden, den die Behörden für unsere Demonstartion, abseits vom Geschehen, vefügt hatten. Sie versuchten, dem Geschehen näher zu kommen.
Die Nazis konnten, von der Polizei geschützt, anfangs ungestört demonstrieren und ihre verbrecherischen Parolen loswerden. Dann wurde die Demo von ca. 70 Nazis von der Polizei aufgelöst, weil dort rassistische Parolen gerufen worden seien.
 
Unklar ist, warum eine Demo mit einem klar verfassungsfeindlichem Inhalt von dem Gericht in Kassel überhaupt genehmigt wurde. Im Grundgesesetz Artikel 3, Absatz 3 heißt es ja:
„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden ...“
 
Und das war "unsere" Demo gegen den Nazi-Aufmarsch durch entlegene Gärten (entfernt von dem Ort der Nazi-Kundgebung) wohin das Ordnungsamt die angemeldete Demonstration verbannt hatte:
   
   
   
 
Wir trafen uns gemäß der Auflagen des Ordnungsamtes weit weg vom Geschehen, die Demo ging durch menschenleere Sraßen an Gartenanlgen vprbei.
 
Witzig war, als ein Sprecher aus dem Lautsprecherwagen in „Wir-Form“ die unterzeichnenden Gruppen vortrug, zum Beispiel „Wir Gewerkschaftler, wir ...“ stockte er und wollte dann wohl doch nicht sagen: „Wir Lesben und Schwulen ...“. Er sagte daher schlicht: „Wir anderen Menschen ...“. und so blieben wir also "ungesagt".

Leider waren von den Unterzeichnergruppen die Mitglieder nicht bei der Demo, denn es waren vielleicht 150 TeilnehmerInnen.

Ein Polizistenriegel stellte klar, dass hier der Endpunkt der Demo war, und die Kundgebung mit vielen Reden begann.
Wir haben unsere Rede dann doch nicht angemeldet, weil wir es nicht für sinnvoll hielten, diesem Bündnis unsere Vorbehalte gegenüber zunehmender Religiosität zuzumuten, das doch zum Zweck einer Kundgebung gegen Nazis zustande kam.
Es sparchen u.a. der katolische Pfarrer und Oberbürgermeisterkandidat der SPD Roth und der Oberbürgermeisterkandidat der Linken Liste.

Als dann aber der moslemische Redner froh verkündete, dass Christen und Muslime gemeinsam für eine bessere Moral in der Gesellschaft sorgen wollen, haben wir es bedauert, unsere Rede nicht gehalten zu haben. Von Christen und Muslimen wollen wir uns unsere Moral nämlich wirklich nicht mehr vorschreieben lassen.
 
Da haben Lesben und Schwule wirkliche schreckliche Erfahrungen machen müssen. Und genau dafür haben wir uns nicht an dieser Demo beteiligt. Ganz im Gegenteil.

Etwa 120 Demonstranten sind nicht bei der Kundgebung gewesen, sondern versuchten, für die Nazis die Straße zu blockieren. Die Polizeit schloss sie in einem Kessel ein, verhaftete 5 von ihnen, 4 wurden verletzt, und der Kessel wurde erst geöffnet, nachdem der Nazi-Aufmarsch verboten und aufgelöst worden war. Die Nazis sind von der Polizei in einen Zug gesetzt und nach Eltville begleitet worden, dort wurden sie dann in kleine Gruppen aufgelöst.
Die ROSA LÜSTE existiert seit 1978 und ist ein nichtrechtsfähiger Verein, der seit vielen Jahren eine ganze Reihe von Funktionen
für die Lesben- und Schwulenbewegung nicht nur in Wiesbaden übernommen hat. Wir nennen uns "politische Lesben- und Schwulengruppe", weil wir diese Arbeit als eine politische Arbeit ansehen, obwohl wir uns parteipolitishc nicht betätigen.
Zurück
Home